Mehr als 4.000 Bäume und Sträucher pflanzten am 10. und 11. November 2020 rund 300 Schülerinnen und Schülern des Gymnasium Anna-Sophianeum zur Erweiterung des schuleigenen Waldes in der Nähe des paläon. Mit dabei waren die 5., 6. und 7. Klassen, sowie die 13. Jahrgangsstufe der Schule.
Das Projekt „Schulwälder gegen Klimawandel“ der Stiftung Zukunft Wald (Landesforsten-Stiftung) startete mit dem Gymnasium Anna-Sophianeum Schöningen vor rund neun Jahren im November 2011. Im Zuge des damaligen Neubaus des Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere, des paläon, wurde zunächst ein halber Hektar Ackerfläche bewaldet. Nach einer Vervierfachung der Schulwaldfläche im Frühjahr 2020 wurden im Sommer ein Freilandforschungslabor in Form eines Holzblockhauses mit Wetterstation und Solarstromversorgung und mehrere regensichere Sitzgelegenheiten errichtet. Und nun, im November, wurde die dazugewonnene Fläche zur besten Baumpflanzzeit sowie unter den Bedingungen eines Teillockdowns erstaufgeforstet.
„Nach Erstellung eines aufwendigen Hygienekonzepts zu dieser speziellen Schulaktion und unter Abstimmung mit dem Krisenstab des Landkreises Helmstedt, konnten schließlich an diesen zwei Pflanztagen im November über 30 verschiedene Baum- und Straucharten auf der vergrößerten Schulwaldfläche gepflanzt werden“, schildert Ulrike Anspach-Wolf, Biologielehrerin am Anna- Sophianeum und Leiterin des Schulwaldprojektes.
Die Pflanzaktion wurde von zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern der Stiftung Zukunft Wald und von Auszubildenden und Meistern der Niedersächsischen Landesforsten und des Forstamts Wolfenbüttel in Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern der Schulwald-AG planerisch vorbereitet und vor Ort durchgeführt. Auch zwei Schülerinnen des 13. Jahrgangs, Carlotta Werk und Pandora Berg, waren an der Pflanzaktion planerisch beteiligt. Im Rahmen ihrer Facharbeit erarbeiteten sie ein Konzept zur Beteiligung der Fünftklässler, bereiteten die Pflanzflächen mit vor und betreuten schließlich ihre Schülerinnen und Schüler am Pflanztag. Fachlich begleitet wurden Sie dabei von Lars Hosse, Biologie- und Seminarfachlehrer sowie schulfachlicher Koordinator am Gymnasium Anna-Sophianeum, der auch an der ersten Pflanzaktion im Jahre 2012 schon maßgeblich beteiligt war und seit dem tatkräftig viele Projekte im Schulwald mit unterstützt.
„Damit die Schülerinnen und Schüler des Anna-Sophianeum die Baumsetzlinge forstfachlich richtig in den Boden „streicheln“ können, haben wir vorab die Teilnehmer der Schulwald-AG von Frau Anspach-Wolf als „Pflanzscouts“ ausgebildet. Auf diese Weise konnten Sie dann mit tatkräftiger Unterstützung der Azubis ihre Mitschülerinnen und Mitschüler einweisen und „ihren“ Schulwald pflanzen“, so Elisabeth Hüsing, Direktorin der Stiftung Zukunft Wald.
Pflanzscout Lotti, Schülerin der Klasse 6a und engagierte Mitstreiterin in der Schulwald-AG: „Es hat riesigen Spaß gemacht bei der Pflanzaktion mitzumachen und es war total interessant. Mein Azubi Alex, mit dem ich zusammengearbeitet habe, war total lustig.“ Und auch Alex Heine, im 3. Lehrjahr der Ausbildung zum Forstwirt, meinte: „Es macht riesigen Spaß, Kindern und Gleichaltrigen einen Einblick in die Forstwirtschaft zu geben und mit ihnen zusammen einen neuen Wald in unserer Region für unser Zukunft zu schaffen.“
An den beiden Tagen waren zusätzlich Waldpädagogen vom Waldforum Riddagshausen vor Ort, die die Aktion mit zusätzlichen Unterrichtseinheiten im älteren Schulwaldteil zum Thema Wald und Klimawandel mit vertiefendem Fachwissen pädagogisch begleiteten.
Elisabeth Hüsing zur Zielsetzung des Schulwaldprojektes: „Wir wollen Kinder und Jugendliche wieder verstärkt mit Natur und Wald, der Waldentwicklung und seiner Vielfältigkeit sowie seiner immensen Bedeutung in der Zeit des Klimawandels vertraut machen. Und was ist dazu besser geeignet, als den eigenen Wald zu pflanzen und zu betreuen?“
„Die Stiftung Zukunft Wald (SZW) ist eine Stiftung der Niedersächsischen Landesforsten, deren Aufgabe und Ziel es ist, Natur- und Artenschutz in den Landesforsten und eine waldbezogene Umweltbildung in ganz Niedersachen zu fördern, zu unterstützen und eigene Projekte zu initiieren. Im Rahmen dieser Aufgaben startete im Jahr 2011 das landesweite Projekt „Schulwälder gegen Klimawandel“. Mittlerweile wurden mehr als 60 Schulwälder angelegt bzw. sind aktuell in Planung. Mit den auf 30 Jahre terminierten Kooperationsverträgen zwischen Schulen, Flächeneigentümern und der SZW verpflichten wir uns, nach der Neuanpflanzung der Schulwälder die Schulen in ihren dortigen Umweltaktivitäten und Lehrveranstaltungen zu beraten sowie personell und finanziell zu unterstützen“, so Elisabeth Hüsing weiter.
Die Pflanzaktion in Schöningen wurde von der Niedersächsischen Bingo Umweltstiftung gefördert, die Schöninger Vollkornbäckerei Sartorius spendete einen Teil der Brötchen zur Stärkung Aller nach der Pflanzung und die Braunschweiger Landessparkasse sponserte in Kooperation mit BS-ENERGY die über 4.000 Baumsetzlinge.
Stefan Krauß, Schulleiter des Gymnasium Anna-Sophianeum: „Dieser neu strukturierte außerschulische Lernort im Schulwald unseres Gymnasiums wird vielseitig in den Unterricht eingebunden und bietet den Schülerinnen und Schülern eine große Vielfalt an neuen Möglichkeiten: Sie können etwas Praktisches erschaffen und theoretisches Wissen vor Ort anwenden. Global denken
– lokal handeln! Mit der Erweiterung unseres Schulwaldes und der Anpflanzung von 4000 zusätzlichen Bäumen wollen auch wir am Anna-Sophianeum einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und ganz nebenbei bieten die gepflanzten Obstbäume in ein paar Jahren die Grundlage für einen gesunden Pausensnack.“
„Als Beispiele für die unterrichtliche Einbindung lassen sich hier der Fachbereich Biologie für botanische und zoologische Bestimmungsübungen und dem Erkennen ökologischer Zusammenhänge sowie der Fachbereich Erdkunde für die Erfassung und Interpretation der Wetterdaten nennen. Diese werden live in die Schule übertragen und können in jeglichen Fächern analysiert werden. Weiterhin können vor Ort chemische Bodenanalysen durchgeführt oder im Rahmen des Mathematikunterrichtes einzelne Areale oder Baumhöhen vermessen werden. Mit Sammlung dieser Daten können die Schülerinnen und Schüler in der dann folgenden Wachstumsperiode bereits viel über die Entwicklung der Bäume herausfinde“, so Ulrike Anspach-Wolf.
Auch im Rahmen zahlreicher Facharbeiten bietet der Schulwald viele Möglichkeiten, sich im Bereich Umwelt- und Naturschutz zu engagieren. So wird einerseits die Veränderung der Artenvielfalt der Insekten und andererseits die Effektivität der Pflanzaktion in Bezug auf die ökologischen Verbesserungen im Zuge der Erweiterung analysiert und beurteilt.
Ulrike Anspach-Wolf fügt hinzu: „Wir vom Gymnasium Anna-Sophianeum sind hier getreu dem Motto „Pflanzt nicht Worte, sondern Bäume!“ tätig und leisten unseren Beitrag zu mehr Umwelt- und Naturschutz, um auf diese Weise die natürlichen Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu fördern.“
Auch die neuen 5. Klassen haben aufgrund der Auswirkungen bedingt durch die COVID-19- Pandemie ihre „Kennenlernfahrt“ im Oktober bereits im Schulwald gemeinsam mit ihren Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern durchführt. Die Schülerinnen und Schüler haben zusammen mit Waldpädagogen des Waldforums Riddagshausen geforscht und experimentiert sowie darüber hinaus einen tollen Tag im Schulwald verbracht.
Sophie Zeeb, die an der Universität in Freiburg Waldwirtschaft und Umwelt studiert und gerade ihr Praktikum bei der Stiftung Zukunft Wald absolviert, ergänzt: „Für die Pflanzaktion in Schöningen habe ich Förderanträge geschrieben, den Kindern das Pflanzen erklärt, Bäume ausgeteilt und generell bei der Organisation mitgeholfen. Für den Studiengang habe ich mich entschieden, weil Ich davon überzeugt bin, dass es unumgänglich ist, sich mit der Natur zu beschäftigen und sie als unsere Lebensgrundlage zu schützen und zu erhalten. Waldsterben und Klimawandel führen zudem dazu, dass dem Umweltsektor aktuell mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und sich neue Jobmöglichkeiten ergeben. Das Praktikum zeigt mir, dass es viele Menschen mit der gleichen Vision gibt, und zwar nachhaltige Gedanken weiterzugeben und zu vervielfältigen. Wichtig ist es, die Gedanken in die Welt zu tragen und Andere für die Umwelt zu begeistern.“
Jan Kiehne, Biologie- und Chemielehrer am Anna-Sophianeum, stellt die jüngste Pflanzaktion in einen größeren Kontext: „Wir Menschen haben gelernt, Vergangenheit und Zukunft in einem Punkt zu konzentrieren: Im Hier und Jetzt, in der Gegenwart. Durch das Verbrennen fossiler Energieträger nutzen wir die Energie der Sonne, die vor Jahrmillionen in Form von pflanzlicher und tierischer Biomasse in tiefliegenden Gesteinsschichten gespeichert wurde und die ohne menschliches Zutun wahrscheinlich nie so schnell und in so kurzer Zeit wieder in Kontakt mit dem reaktiven Luftsauerstoff gekommen wäre. Und durch die fortschreitende Digitalisierung unseres Lebensalltags verkürzen wir Informationswege erheblich. Nachrichten, die vor Jahrzehnten noch Tage und Monate unterwegs waren, können heute nahezu mit Lichtgeschwindigkeit übermittelt werden. Aber für diese zeitlichen und räumlichen Kompressionsprozesse zahlen wir einen hohen Preis. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Heute produziert, morgen schon zumeist irreparabel veraltet. Und jeder Klick im Internet, jeder Tweed und jeder Stream emittiert Treibhausgase. Mit drastischen Folgen für unseren Planeten. Für die Tier- und Pflanzenwelt. Für uns Menschen selbst.“
Spätestens seit der französische Naturforscher Antoine Laurent de Lavoisier im auslaufenden 18. Jahrhundert den „Massenerhaltungssatz“ zusammenfassend formuliert hat, ist allgemein bekannt, dass die Kohlenstoff-Atome aus den fossilen Energieträgern beim Verbrennen nicht verschwinden, sondern sich chemisch gebunden in einem farb- und geruchlosen Gas in unserer Atmosphäre wiederfinden lassen und anreichern: Im Molekül des Kohlenstoffdioxids. Diese energetisch stabile, äußerst reaktionsträge Verbindung ist mitverantwortlich für den menschengemachten Treibhauseffekt. Es wird wärmer. Naturkatastrophen und Extremwetterlagen nehmen zu.
„Aber wir können etwas tun. Wir können genau die Lebewesen fördern, die in der Lage dazu sind, durch ihre Fotosyntheseleistung das Kohlenstoffdioxid-Molekül wieder zu zerlegen. Wir können Bäume pflanzen! Aber mehr noch: Durch die Beteiligung von vielen Schülerinnen und Schülern an dieser Pflanzaktion können wir dazu beitragen, den Erkenntnisprozess in Gang zu setzen, dass wir Menschen letztlich nur in und mit einer intakten Umwelt eine Zukunft auf diesem Planeten haben werden. Umweltschutz und Artenvielfalt bedeutet Lebensqualität – für Alle“, fügt Jan Kiehne hinzu.
Ein besonderer Dank geht an Martin Wagener, der durch seine Arbeit am Dienstag u.a. den reibungslosen Ablauf des Pendelverkehrs gewährleistet und die Zuweisung der Klassen zu den einzelnen Pflanzplots unterstützt hat. Zudem war er an den Vorbereitungsarbeiten beteiligt. Auch Sebastian Pach und Daniel Täuber gebührt ein Dankeschön, deren Vorarbeit einerseits maßgeblich das leibliche Wohl aller Beteiligten an den Pflanztagen beeinflusst hat und die andererseits bei der Markierung der Pflanzplots am Wochenende zuvor mitgewirkt haben.
Text: Jan Kiehne, Gymnasium Anna-Sophianeum
Fotos: Jan Kiehne und Sebastian Pach (Gymnasium Anna-Sophianeum), Elisabeth Hüsing (Stiftung Zukunft Wald), Anke Grundmann (Stadt Schöningen)